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Dirty Rain - Chapter 4 (german)

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„...und dann habe ich den Benzinkanister genommen, ein Streichholz angezündet – und plötzlich brannte das ganze Auto.“
Lian saß auf einem Garagendach, etwas abseits der Brücke, auf der die anderen warteten. Nachdem sie ihnen endlich gestanden hatte, weswegen sie sie eigentlich hierhin gelotst hatte, war die Atmosphäre nun sehr angespannt.
KK, der ihr gefolgt war, lauschte ihrer Geschichte. Wie ein Dementor wirkte er neben ihr, in seinem schwarzen kuttenähnlichen Outfit. Anders als Lian konnte ihm der Regen nichts anhaben.
Bisher hatte sie niemandem außer Emily erzählt, wie ihr Vater eigentlich gestorben war.
„Er hat geschrien. Er hat geschrien wie ein Kind. Und ich habe mich gefreut. Ich wollte ihn verbrennen sehen.“
Schwarz und kalt strömte der Regen über ihr fahles Gesicht. Es sah aus, als würde sie Teer weinen. Ob sie tatsächlich weinte, war nicht zu erkennen.
KK sah sie an, ausdruckslos wie immer. Es war nahezu unmöglich, in seinem totenbleichen, mit Metall und Schminke bedeckten Gesicht eine Regung zu erkennen. Schließlich hakte er nach: „Und das hast du getan... wegen einer leeren Colaflasche?“
„Ja, KK. Weil er meine Cola ausgetrunken hat, habe ich ihn in Brand gesteckt. In dem Moment war er für mich ein Tier, und ich habe ihn abgeschlachtet wie ein Tier.“ Lian begann nun heftig zu zittern. KK fasste sie sanft an den Schultern. Sein schwarzer Nagellack bildete einen harten Kontrast zu ihrer blassen, papierartigen Haut. „Du warst ein Kind“, sagte er sachlich. „Außerdem war die ganze Wohnung voller Drogen. Ihr beide wart betäubt. Du warst nicht du selbst, Lian.“ Sie antwortete nicht und starrte durch die dunklen Regenschwaden ins Nichts. „Aber woher kommen dann überhaupt die Briefe?“
„Deswegen sind wir doch hier!“, antwortete Lian, nun schon ein wenig brüchig. „Ihr wolltet bloß weg, aber ich wollte die Wahrheit wissen. Wollte wissen, wer mich schon seit Jahren damit foltert!“ Nun weinte sie tatsächlich. KK zog sie näher an sich heran. „Das werden wir. Wenn du den Regen durchdringst, dann gehen wir mit dir. Verlass dich darauf.“ Damit zog er sie in eine tiefe Umarmung. Eine ungewohnte Wärme begann plötzlich, sie zu durchströmen und auf einmal spürte Lian den Regen nicht mehr. Sie umklammerte KK fest, sah ihm tief in die Augen – und grinste. „Hoppla. Was ist los mit dir? Du berührst mich länger als zwei Sekunden? Ich bin beeindruckt. Und, ist dir schon übel?“ KK kräuselte in gespielterEmpörung die Lippen.
„Seid ihr jetzt fertig mit eurem Kaffeekränzchen? Dann würden wir gerne starten!“ Joelys Stimme klang leicht gereizt durch den Regen. Sie durchbohrte KK mit tödlichen Blicken und setzte sich beim Einsteigen demonstrativ zwischen die beiden.
„Wo habt ihr Gary gelassen?“, fragte Emily von vorne. Erst jetzt fiel Lian auf, dass er fehlte. „Ich dachte, er ist bei dir?“, erwiderte KK. Besorgte Blicke machten sich breit. Schließlich sprach Emily aus, was allen durch den Kopf ging. „Verdammt! Der verrückte Kerl auf der Brücke hat gesagt, dass es hier noch mehr von diesen Leichenfledderern gibt! Und dass sie nach dir suchen, Lian!“ Sie zog ihre Waffe aus dem Handschuhfach. „Wo habt ihr ihn zuletzt gesehen?“
Betretene Blicke wurden ausgetauscht. Nach den Ereignissen auf der Brücke waren alle zu aufgewühlt gewesen, um aufeinander Acht zu geben. Endlich erinnerte sich Joely, wie Gary vor einem leeren Kellereingang gestanden habe und plötzlich verschwunden sei. „Ich dachte, er müsste mal oder so. Verdammt, ich habe gerade eben jemanden erschossen! Natürlich hatte ich da andere Dinge im Kopf!“

Das Hochhaus, zu dem Joely sie führte, war ein ganz alltäglicher Betonbau. Einst war es weiß gestrichen worden, doch wie alle Gebäude in diesem Bezirk hatte der Regen die Fassade schmutzig grau gefärbt. Es war offensichtlich unbewohnt, denn überall türmte sich Bauschutt, und kaum ein Fenster des Komplexes war mehr heil, sodass unzählige schwarze Löcher sie anstarrten, wie ein vieläugiges Monster, das sich zum Angriff bereit machte. Joely zeigte auf einen Seiteneingang, hinter der eine Treppe in einen dunklen Kellerschacht hinabführte. Wo sie endete, war nicht zu erkennen. „Bist du dir sicher?“, fragte Emily nun schon zum dritten Mal. Joely nickte nur stumm. Mit wachsendem Grauen starrten sie nun in das düstere Loch, das sich wie der Schlund einer Schlange hinabwand. Schließlich zog KK eine Taschenlampe hervor und begann, langsam hinabzusteigen. Wortlos folgten die anderen ihm. Erst als sie nach quälenden Minuten am Fuße der Treppe ankamen, bemerkte Lian, dass sie schon die ganze Zeit Joelys und Emilys Hände hielt.
Vor ihnen lag ein finsterer, enger Gang, dessen Wände und Boden aus massivem Stahl bestanden. Der Schein von KKs Lampe verlor sich in der Dunkelheit vor ihnen. Ein Klicken in ihrem Rücken sagte Lian, dass Joely und Emily ihre Pistolen entsicherten. Niemand wagte auch nur zu flüstern, während sie sich langsam vorantasteten. Nach etwa 20 Metern stießen sie auf eine Kreuzung. Lian krallte sich fest in Emilys Ärmel, voller Angst, was wohl hinter der der nächsten Ecke lauern würde, doch alle drei Gänge waren leer. KK bog ohne weiteres nach rechts ab. Bei der nächsten Kreuzung hielten sich nach links. Dann teilten sich die Gänge immer öfter und öfter. Es war ein Labyrinth. Und sie waren blind hineingelaufen. Lian flehte im Stillen, sie würden bald wieder den Himmel sehen. Auch wenn er verregnet war. Die Stille ließ sie nahezu verrückt werden. Kein Flüstern. Kein Atmen. Nichts, nur ihre Schritte.

„Willst du bis der Tod euch scheidet treu ihr sein für alle Taaaage...“

Wie von einem Blitz getroffen wirbelten sie herum. Eine martialisch klingende Stimme hallte durch den Gang, von vielen Echos zurückgeworfen. Kalte Panik brach aus. „Emily! Mach sofort dein verf***tes Handy aus!!“, zischte Lian und bemühte sich, nicht zu schreien.
„Wer kann das sein?“, flüsterte Emily verwirrt, als das ‚Klingeln‘ verstummt war. „Die Nummer kennt doch eigentlich nur...“ Sie erstarrte schlagartig. „...Valery.“
Kalte Wellen der Angst schwappten plötzlich über die vier. Wie auf Kommando rannten sie los, in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Niemand wagte es, sich umzudrehen, doch sie alle wussten, sie waren nicht mehr allein. Da stoppte KK im vollen Lauf. Die Mädchen prallten in seinen Rücken. KK zog seine Waffe und richtete sie langsam auf den Gang vor ihnen.

„Falsche Richtung, KK!“, knurrte eine Stimme hinter ihnen. Atemlos drehten sich die Freunde um.
Ein großer muskulöser Mann stand hinter ihnen. Er trug eine offene Jacke mit nichts darunter, und seine dunkle Haut ließ ihn mit den Schatten verschmelzen. Langes schwarzes Haar wallte über seine Schultern. Er war wunderschön. Doch seine Augen glommen hellgelb und sein Blick war der eines Raubtiers.
Spöttisch grinsend hielt er ein Mobiltelefon hoch. „Danke für die Orientierungshilfe, Emily.“ Langsam kam er auf sie zu. Dass drei Pistolen auf ihn gerichtet waren, schien ihn nicht zu stören. „Wenn ihr gestattet, ich bin Lorien, der Herr der Schatten. Und das sind meine Freunde. Wir nennen uns Shadowhearts...die Schattenherzen. Denn noch sind wir nichts als Schatten.“ Er deutete hinter die vier.
Neunzig bis hundert Gestalten strömten nun aus den Gängen und kamen langsam näher. Sie alle trugen Kampfkleidung und waren mit langen Messern bewaffnet. Ihre Augen glühten gelb im Schein der Lampe, und Lian bemerkte bei einigen von ihnen den roten Stern, den auch Valery getragen hatte. Auch der Angreifer auf der Brücke hatte so ein Tattoo gehabt. Was ging hier nur vor?
Lorien hatte ihren Blick offenbar bemerkt. „Ja, das ist es, Lian“, sagte er sanft. „Ich habe gehofft, wir würden dich finden... bevor du in dein Verderben fährst!“
„Wo ist Gary?“, fragte Emily schroff. Sie versuchte offenbar, die Kontrolle zu behalten. Lorien lächelte jedoch nur. „Dein Bruder interessiert uns nicht, Emily. Vermutlich irrt er hier irgendwo durch die Gänge. Unser Ziel ist Lian!“
Hunderte gelbe, gierige Augen fixierten nun Lian, die das Gefühl hatte, im Kreuzfeuer hunderter Flammenwerfer zu stehen. Sie hasste Feuer.
„Warum tut ihr das? Was bin ich bloß für euch?“, murmelte sie, doch Lorien hatte sie gehört. Er kam ihr ungemütlich nahe und drückte ihr sanft das Kinn nach oben. Sein Blick ließ sie erstarren.
„Hast du es noch nicht begriffen, Lian?“ Seine Hände streichelten nun ihre Wangen. „Du bist eine von uns ...nalangaliyime!

Bis Lian 6 Jahre alt gewesen war, hatte sie mit ihrem Vater ausschließlich in seiner blumigen Sprache gesprochen. Er hatte ihr immer erzählt, er habe sie frei erfunden, und sie hatte es geliebt. Es war wie ein Geheimcode zwischen Vater und Tochter gewesen. Ein mystisch klingender Geheimcode. Nun hatte sich in den letzten paar Stunden gezeigt, dass dieser Code offenbar doch nicht allzu geheim sein konnte. Schon zum zweiten Mal hörte sie jemanden auf diese Weise sprechen, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Doch diesmal beherrschte Lian sich. Mit einem Ruck riss sie sich von Lorien los.
„Ich bin kein ‚kleiner Engel‘! Ihr müsst schon gegen uns kämpfen. Und im Gegensatz zu Valery haben wir Schusswaffen!“
„Drei. Gegen über einhundert Schwerter.“, bemerkte KK trocken.
Lorien legte die Stirn in Falten.„Nein, als Engel kann man dich nun wirklich nicht bezeichnen.“ Er schnippte mit dem Finger, worauf ihm ein Mädchen mit unzähligen Narben im Gesicht ein Notizbuch reichte, und begann darin zu blättern.
„Lian Amersuh... Schon als Kleinkind gewalttätig. Von 4 Schulen verwiesen. Mit 8 Jahren bereits Drogenkonsum. Mit 10 Jahren ein Auto in Brand gesteckt, ein Toter. Aus der Psychatrie geflohen... danach mehrmals wegen Prostitution verfolgt. Prügelei mit mehreren Polizisten und mehrere Klagen wegen Rowdytums. Zum Beispiel wurdest du mit deinen Freunden an Heiligabend mit 10 Flaschen Vodka und einer Machete in einer Kirche erwischt.“
„Sechs Flaschen! Und die Machete war nur geliehen!“, rief Joely dazwischen. Emily trat ihr hart auf den Fuß.
Lian blieb jedoch eiskalt. Das war noch eine der harmloseren Geschichten über sie.
„Kurz gesagt, genau das was man von einem Problemkind erwarten muss.“, beendete Lorien seinen Vortrag.
„Wofür brauchst du mich dann?“, fragte Lian trotzig. „Soll ich dir etwa dabei helfen, Leute umzubringen und ihre Gesichter zu zerfetzen? Oder brauchst du Hilfe dabei, falsche Briefe zu schreiben?“ Bei letzterem stiegen ihr Zornestränen in die Augen. Drohend kamen die Schattengestalten näher.
„Du irrst dich, Lian.“ Auf einmal klang Lorien ernst. „Wir haben Valery nicht getötet. Wir kamen zu spät, genau wie ihr. Sie war nur noch Blutpudding.“
„Sie gehörte nicht zu uns!“, rief ein Mädchen mit dunklen Locken aus der Menge der Shadowhearts. „Sie war eine von Sakons Untertanen. Sie musste sterben, weil sie frei sein wollte!“
Sakon, immer wieder Sakon. Lian verlor allmählich den Überblick.
„Und genau das wollen wir auch!“, verkündete Lorien. „Siehst du den Stern, den wir alle tragen? Das Siegel des Volkes von Sakony! Ein Schandmal ist es, auferlegt von Sakon. Er ist derjenige, der die Welt unter dem schwarzen Regen beherrscht. Und wir sollten seine Soldaten sein. Aber wir sind keine Puppen! Schaut gut zu.“
Er hob seine Arme und richtete sie ruckartig auf die vier Eingekreisten. Der vierzackige Stern prangte in seiner Hand.
Emily wurde urplötzlich wie von Geisterhand in die Höhe gerissen und baumelte knapp unter der Decke. Ungläubig blickten die anderen zu ihr hinauf.  Lorien wischte durch die Luft. Sie flog schreiend über 10 Meter durch den Tunnel und krachte mit einem schrecklichen Knirschen gegen einen Stahlträger. Reglos glitt sie daran hinab.
KK und Joely feuerten blitzschnell ihre Waffen auf Lorien ab – doch die Kugeln prallten wie Gummi auf seiner nackten Brust ab und vielen kläglich zu Boden. Er hatte nicht einmal einen Kratzer. Fassungslos starrten die Drei auf das Geschehen, während Emily im Hintergrund schwach stöhnte. Blut sickerte durch ihr weißblondes Haar.
„Das ist sie, die Kraft Sakons.“, erklärte Lorien. „Der Stern ist unser Gütesiegel.“ Er streichelte ihn kurz, machte dann jedoch eine wegwerfende Bewegung.  „Aber er ist auch unser Verfallsdatum! Das Siegel verringert unsere Lebenszeit um fast die Hälfte. Und er kann uns damit jederzeit umbringen, es reicht ein Fingerschnippen. Momentan weiß noch niemand, was wir hier planen. Aber wenn doch - ein Schnippen und wir sind hin. Wir sind Gefangene! Vögel in einem Käfig aus Regen und Blut!“
Blitzschnell packte er Lian an den Schultern. „Und du ebenso. Es war sein Plan, dass du hierherkommst. Wegen dieser Briefe. Du bist eine Gefahr! Du sprichst Sakony und lebst in der Außenwelt. Dein Vater war einer von ihnen, du weißt viel zu viel über uns! Aber es soll anders werden. Wir alle wollen Sakon und seine Kettenhunde vernichten.“ Zustimmende Rufe drangen aus den Reihen der Shadowhearts. „ Und du willst das auch, nicht wahr?“
„Das stimmt nicht, ich weiß überhaupt nichts!“ Lian hatte Mühe, das Gesagte zu verarbeiten. Sie hatte gewusst, dass die Briefe unmöglich von ihrem Vater stammen konnten, schließlich hatte sie ihn selbst getötet. Doch nun hatte Lorien auch den letzten Funken Hoffnung in ihr erstickt und einen dunklen Abgrund vor ihr aufgerissen. Sie wünschte sich, ohnmächtig zu werden.
Lorien war nun so nahe an Lians Gesicht, dass sie sich in seinen gleißenden Augen spiegelte. Seine Anhänger rückten unaufhaltsam näher,  schlossen den Kreis um Lian und die anderen und hoben drohend ihre Klingen. Langsam beugte Lorien sich zu ihr hinab. Sie erstarrte. Er roch nach etwas Frischem, Minzeartigem... mit einem Hauch von Blut.
Hru marsisur bye, Lian!“, flüsterte er neben ihrem Ohr. „Komm mit uns, und wirst dich rächen können. Sein Gesicht wird in Fetzen liegen wie das von Valery und all den anderen. Diese Briefe werden dir nie wieder die Trauer in dein Haus tragen! Und es wird eine Zeit anbrechen, zu der der Regen verstummt und die Son-“

-WAMM!-


Ein ohrenbetäubender Knall hallte durch den Stahltunnel. Die Shadowhearts stoben panisch auseinander, als plötzlich die Decke mit donnerndem Lärm einstürzte und grell das Tageslicht in den Tunnel schien. Alle sprangen nun beiseite, um nicht unter den Trümmern begraben zu werden. Als der Staub sich legte, sprang jemand durch das Loch zu ihnen hinunter.
„Sazukai?!“
Er war es wirklich. Sein flammend rotes Haar wirkte wie eine Fackel in der Finsternis. Bei seinem Anblick begannen die Schattenbewohner panisch zu kreischen und flüchteten in die abzweigenden Gänge. Selbst Lorien wich verängstigt vor ihm zurück und drückte sich mit den anderen hinter die nächste Ecke.
Seltsam, denn Sazukai hatte nicht einmal eine Waffe.
„Raus hier!“, rief er den Freunden zu und deutete nach oben. Dort stand Gary und winkte hektisch. KK und Joely erwachten aus der Starre und begannen sofort, nach oben zu klettern. Lian zerrte Emily auf die Füße. „Und ihr, kommt nicht näher!“, rief Sazukai in Richtung der Shadowhearts, die in 10 Metern Entfernung verharrt waren, und wuchtete Emily hinauf zu KK. „Oder willst du alle deine Kettenhunde auf einen Schlag verlieren, Lorien?“
Kye vesqërni!
Plötzlich kam eine der Gestalten auf sie zugestürmt und schleuderte mehrere Messer auf sie. Es war das Mädchen mit dem vernarbten Gesicht. Nachdem sie merkte, dass sie verfehlt hatte, stürzte sie sich auf Sazukai, ohne auf Loriens Rufe zu hören, und begann, ihn mit Fäusten zu bearbeiten. „Nein, Shira! Hru ragsunir! Komm zurück!“
Sazukai packte sie vorne am Kragen und schmetterte sie gegen die Stahlwand. Während er sie gegen die Mauer drückte, murmelte er etwas Unverständliches.
Völlig verwirrt bemerkte Lian, wie sich auf Shiras Haut plötzlich eine Eisschicht zu bilden begann, die ihre Arme hinaufkroch und ihren ganzen Köper umhüllte. Shira presste erstickte Schreie hervor, doch dann verstummte sie plötzlich und erstarrte.  Als Sazukai sie losließ, blieb sie in der Bewegung erstarrt an der Wand hängen, fiel schließlich stocksteif wie eine Statue zu Boden und schlug mit einem dumpfen Klonk auf dem Stahl auf.
„Na?“, rief Sazukai in Richtung der Shadowhearts. „Möchte noch jemand ein Denkmal gesetzt bekommen?“
Lorien schäumte vor Zorn. „Du darfst nicht hier sein!“, rief er. „Wir hatten eine Abmachung, Sazukai!“
„Ich glaube nicht. Mit Mördern mache ich keine Abmachungen!“ Damit zerrte Sazukai nun auch Lian nach oben. Auf seinen Händen befanden sich noch immer Eiskristalle. Als er sie aus dem Loch heben wollte, spürte sie jedoch plötzlich einen harten Griff um ihr Fußgelenk und bemerkte, dass jemand sie wieder hinunterzog. Verzweifelt trat sie um sich. Doch ihr Angreifer zog noch fester und riss schließlich ihre Jeans am Oberschenkel auf. Nun konnte Lian ihn sehen, es war ein Junge, dem ein Auge fehlte. Böse grinsend zog er an dem Riss in ihrer Hose und presste Lian einen metallischen Gegenstand auf die Haut darunter.
Unvorstellbarer, gleißender Schmerz flammte in ihrem Bein auf. Es war, als bestünden ihre Knochen aus glühendem Stahl und würden all das Fleisch daran verbrennen. Schreiend stürzte sie hinab und wand sich würgend und in Todesqualen auf dem Stahlboden. Ihr Kopf drohte ihr zu zerplatzen.
Da packte sie eine kräftige Hand am Kragen und zerrte sie nach oben, dem Licht entgegen. Plötzlich spürte sie eisigen Regen auf ihrer Haut und schlagartig ließ der Schmerz nach. Doch noch immer spürte sie ein seltsames Vibrieren, das irgendwie aus den Knochen kam. Ohne sich weiter darum zu kümmern, rappelte Lian sich auf und schritt zurück zum Loch, aus dem sie gekrochen waren.
Bëlliyut shanra, kushmurut qehla!“, rief sie hinunter.
Die Sonne scheint, der Käse stinkt.
Dann trat sie gegen einen Betonbrocken am Rand der Grube. Donnernd stürzte der Tunnel nun endgültig zusammen. Die ganze Straße erzitterte. Sie lauschten bis das Beben verebbt war.
Nun war es wieder totenstill.
„Gary!“ Emily, die ebenfalls wieder wach war, durchbrach als Erste die Stille und umarmte ihren kleinen Bruder. „Geh nie wieder allein in irgendwelche Keller! Die hätten uns alle mit einem Atemzug töten können!“
Mit ihren verkrusteten Haaren und den stahlblauen, blutunterlaufenen Augen wirkte sie leicht wahnsinnig.
„Ich war überhaupt nicht da unten! Ihr schon!“, wehrte sich Gary trotzig.
„Warum ist der Typ überhaupt hier?“, raunte Joely leise und rückte ihre Mütze zurecht. Sazukai wandte sich zu ihr hin.
„Ich habe Gary getroffen und er hat mir erzählt, dass ihr nicht auf mich gehört habt und in diese Pestgrube geklettert seid. Lorien hatte ich schon lange im Visier. Der Typ kann manchmal noch schlimmer sein als Sakon und sein Fußvolk. Von wegen Freiheit und Gerechtigkeit!“
Sazukai winkte verächtlich mit seiner Hand. Dabei bildete sich kurz eine glitzernde Eisschicht auf ihr. Offenbar hatte es außer Lian jedoch niemand bemerkt.
Hatte Sazukai etwa auch verborgene Kräfte?
Seine Augen waren jedoch normal, und auch einen Stern konnte Lian nirgends entdecken. Aber vielleicht trug er ihn auch an einer verdeckten Stelle... Jedenfalls misstraute sie ihm.
„Wer ist dieser Sakon?“, rief Gary. Auch Lian lag die Frage auf der Zunge. Doch noch mehr beschäftigte sie das, was sie vorhin mitbekommen hatte.
„Was war das eben?“, fragte sie misstrauisch. „Und was für eine Abmachung hast du mit Lorien?“
Sazukai sah ihr gelassen ins Gesicht. „Ich erkläre euch alles, was ich weiß. Aber nicht jetzt, nicht hier. Lasst uns von hier verschwinden, bevor diese Schattenpatrone wieder auftauchen. Ihr könnt froh sein, dass ihr nicht markiert wurdet!“
Lian zuckte heftig zusammen. Heimlich fasste sie sich an den Oberschenkel und lugte durch den Riss in ihrer Jeans, wo die Haut noch immer brannte.
Leuchtend rot und vierzackig prangte ihr der Stern entgegen.
Der Stern von Sakony.
Sie war nun eine von ihnen.
Sie würde nun auch zu einem Monster mit glühenden Augen werden.
Von Sakon beherrscht werden.
Mit einem Fingerschnippen tot umfallen.
„Ist alles in Ordnung mit deinem Bein?“, fragte Sazukai.
Sie atmete tief durch. „Alles ist gut. Lasst uns verschwinden!“
„Gut“, bemerkte er und fixierte sie dabei argwöhnisch. „Ich dachte schon, du brauchst auch eine Ladung Eis.“
Sie rannten davon. Der Regen verwischte ihre Fußspuren.
Es tun sich Abgründe auf für Lian und die anderen... und leider sind sie nicht leer.

I'll update with an English Version as soon as possible^^
© 2015 - 2024 SiriTholme
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